Doris Sage, geb. Neuberger


      geb.: 12.12.1929 in Freiburg

      gest.: 22.4.1994 in Baldwinsville, New York, USA

      Beruf: Sozialarbeiterin


      Wohnorte:

      1929

      Von: 12.12.1929 bis: 9.7.1931

      Anlagen 5, Emmendingen

      1931

      Von: 9.7.1931 bis: 1.6.1932

      Franz-Josef-Baumgartner-Str. 4, Emmendingen

      1932

      Von: 9.6.1932 bis: 1.9.1935

      Bergerstr. 5, Emmendingen

      1935

      Von: 1.9.1935 bis: unbekannt

      Bismarckstr. 3, Freiburg

      unbekannt

      Von: unbekannt bis: 11.1939

      Schillerstr. 2, Freiburg

      Emigration:

      unbekannt

      Von: unbekannt bis: unbekannt

      Aus: Freiburg nach: Genua

      Transportmittel: Eisenbahn

      1939

      Von: 25.11.1939 bis: 6.12.1939

      Aus: Genua, Italien nach: New York, USA

      Transportmittel: Schiff SS Vulcania

      Emigration mit Mutter Helene und Schwester Inge Neuberger Verwandter im Ursprungsland: Tiberio Rosenberger, 13 VII Kiraly Utca, Budapest Verwandter in den USA: Großmutter Berta Neuberger, 3966 64th Street, New York


       

      Familienzusammenhänge

      Eltern:

      Mutter:

      Helene Neuberger, geb. Waelder

      geb. am 7.11.1907 in Rottweil

      gest. am 27.3.1988 in New York City, USA

      Vater:

      Julius Neuberger

      geb. am 18.8.1891 in Mellrichstadt

      gest. am 7.12.1931 in Freiburg

      Geschwister

      Schwester:

      Inge Kutchins, geb. Neuberger

      geb. am 15.8.1931 in Freiburg


      Ehepartner:

      Hochzeit am: 1.9.1951

      in: Westfield, New Jersey, USA

      Walter Elmer Barrett

      geb. am 25.8.1926 in Mount Carmel, Pennsylvania, USA

      gest. am unbekannt in unbekannt

      Hochzeitsdaten unbekannt

      Lowell Russel Sage

      geb. am 25.3.1909 in Morris Run, Pennsylvania, USA

      gest. am 24.12.1972 in Baldwinsville, New York, USA

      Kinder

      W. (Geburtsname)

      geb.: 1958


       

      Biografie

      Doris Neuberger wurde am 12. Dezember 1929 im Diakonissenkrankenhaus in der Marienstraße 8 in Freiburg geboren. Ihre Eltern sind Helene und Julius Neuberger. Doris wuchs mit der zwei Jahre jüngeren Inge auf. Ihr Vater war seit Ende Februar 1925 als praktischer Arzt in Emmendingen niedergelassen. Seine Praxis hatte er in der Karl-Friedrich-Straße 24. Die Familie lebte in den Anlagen 5 (heute Burgstraße 6).

      Verhaftung des Vaters

      Im April 1931 wurde Julius Neuberger verhaftet. Der Sozialdemokrat Hermann Günth setzte sich bei Landrat Alfred Hagenunger für die Entlassung des Arztes ein. Der frühere Kreisarchivar Gerhard Auer vermutet, dass Julius Neuberger wegen einer Abtreibung inhaftiert wurde. Im Februar 1931 gab es einen ähnlichen Fall in Stuttgart.

      Am 9. Juli 1931 zog die kleine Familie Neuberger in die Franz-Josef-Baumgartnerstr. 4. Wenige Wochen später wurde Inge geboren.

      Tod des Vaters

      Am 7. Dezember 1931 starb Julius Neuberger mit 40 Jahren in der chirurgischen Abteilung der Universitäts-Klinik Freiburg und wurde auf dem Jüdischen Friedhof Freiburg bestattet. In der Todesanzeige heißt es „nach schwerer Krankheit“. Möglicherweise war er in der Haft misshandelt und schwer verletzt worden. Die kleinen Mädchen hatten ihren Vater verloren.

      Umzug nach Freiburg

      Am 1. Juni 1932 zog die Witwe mit ihren Töchtern in die Bergerstr. 5 und am 1. September 1935 zu ihrer Mutter nach Freiburg in die Bismarckstr. 3 (heute Stefan-Meier-Straße). Nach der Beschlagnahmung ihres Eigentums und dem Verlust des Familienunternehmens aufgrund der antisemitischen Gesetze der 1930er Jahre zog Helene Neuberger mit ihrer Mutter und ihren beiden Töchtern in eine Wohnung in der Schillerstraße 2. Helene Neuberger arbeitete als Betreuerin, und „Oma Waelder“ kümmerte sich um die Kinder.

      Doris Neuberger wurde Ostern 1936 in der Grund- und Hauptschule Freiburg eingeschult. Das war wohl die Lessingschule, an der im Oktober 1936 die "jüdische Schulabteilung" eingerichtet wurde, in die alle jüdischen Schüler und Schülerinnen wechseln mussten. Aus der vierten Klasse ist ihr Zeugnis erhalten. Sie hatte Unterricht in Religion, Lesen und Sprachlehre, Aufsatz, Rechtschreiben, Schönschreiben, Größenlehre, Erdkunde, Naturgeschichte, Gesang, Zeichnen, Turnen, Handarbeiten, Englisch und Iwrit (Neuhebräisch) anstelle von Französisch.

      Mitten in der vierten Klasse begann für die Neunjährige ein neuer Lebensabschnitt. Am 29. Juni 1939 war ihr letzter Schultag. Am 3. Juli 1939 mussten sich Doris und Inge Neuberger von ihrer Mutter und Großmutter in Freiburg trennen. Sie kamen mit einem Kindertransport in die Schweiz und landeten auf einem Bauernhof in der Nähe von Bern, wo eine katholische Familie deutsch-jüdische Kinder betreute, deren Familien an der Genehmigung ihrer Auswanderungspapiere arbeiteten.

      Emigration

      Helene Neuberger reiste im Herbst 1939 nach Genua. Dort traf sie ihre Töchter wieder. Am 25. November 1939 gingen sie dort an Bord der SS Vulcania. Am 6. Dezember 1939 kamen sie in New York an. Ihre erste Anlaufstelle war Berta Neuberger in New York, die Mutter ihres Vaters. Der Lift mit dem ganzen Hausrat erreichte dagegen nie seinen Bestimmungsort. Die Frachtschiffe liefen nicht mehr aus. Die Gestapo beschlagnahmte den Lift in Amsterdam. Der Inhalt solcher Lifte wurde zwischen 1940 und 1942 zugunsten des Deutschen Reichs versteigert, das Millionen am Eigentum der emigrierten jüdischen Bürgerinnen und Bürger verdiente, die bei einem Vermögen von mehr als 5 000 Reichsmark schon Judenvermögensabgabe und bei einem Jahreseinkommen von mehr als 20 000 Reichsmark auch Reichsfluchtsteuer gezahlt hatten.

      Bei Pflegeeltern

      Helene Neuberger wohnte mit den Mädchen bei verschiedenen Verwandten. Im April 1940 gab Helene Neuberger ihre Kinder zu den Pflegeeltern Iona und George Hart, die in Westfield, New Jersey, lebten. Sie wuchsen dort auf und besuchten ihre Mutter an den Wochenenden in Manhattan.

      Doris Neuberger wurde wieder eingeschult und beendete am 10. Juni 1948 die Westfield Senior High School. Im Jahrbuch ihres Abschlussjahrgangs ist sie folgendermaßen beschrieben: „Well mannered, helpful, sincere, ambitious, and hard working are a few adjectives which could be used to describe Doris. Her interests vary from the literary and German clubs to driving. Wherever she is, there’s bound to be lots of fun nearby.“ (Wohlerzogen, hilfsbereit, aufrichtig, ehrgeizig und fleißig sind einige Adjektive, die man verwenden könnte, um Doris zu beschreiben. Ihre Interessen reichen von Literatur- und Deutschclubs bis hin zum Autofahren. Wo auch immer sie ist, gibt es jede Menge Spaß).

      Studium

      Von 1948 bis 1952 studierte Doris Neuberger an der Bucknell University in Lewisburg, Pennsylvania, Sozialarbeit. In dieser Zeit arbeitete sie als Kellnerin im Speisesaal der Universität. Sie schloss ihr Studium mit dem Bachelor of Arts ab. Von Februar bis Juni 1956 war sie noch an der University of Michigan eingeschrieben. Ihren Masterstudiengang musste sie vermutlich wegen der Schwangerschaft abbrechen.

      Zwei Ehen

      Mitten während ihres Studiums, am 1. September 1951, heiratete Doris Neuberger in Westfield, New Jersey, Walter Barrett in der First Methodist Church. Im Juni 1956 wurde das erste von drei Kindern geboren. Im August 1971 wurde die Ehe geschieden. Doris Barrett heiratete ein zweites Mal. Ihr zweiter Mann Lowell Russell Sage, mit dem sie in Baldwinsville im Bundesstaat New York lebte, starb aber schon im Dezember 1972. Er war 20 Jahre älter als seine Frau.

      1967 starb ihre Mutter in New York. Doris Sage starb 22. April 1994 mit 64 Jahren in Baldwinsville.

      Dorothea Scherle

       

      Photographien

      Portrait von Doris Neuberger im Jahrbuch der Westfield Highschool, New Jersey, 1948 (Quelle: My Heritage).
      Helene Neuberger mit Tochter Doris 1930 oder 1931 in Emmendingen (Quelle: Privatarchiv Laurie Kutchins).
      Inge und Doris Neuberger in Emmendingen (Quelle: Privatarchiv Laurie Kutchins).
      Vier Generationen (von links): Doris Neuberger (Sage), Flora Waelder geborene Metzger, Inge Neuberger (Kutchins), Helene Neuberger geborene Waelder und Sofie Metzger geborene Berg in Bruchsal, wo Sofie Metzger lebte (Quelle: Privatarchiv Laurie Kutchins).
      Doris und Inge Neuberger 1936 in Bruchsal (Quelle: Privatarchiv Laurie Kutchins).
      Inge und Doris Neuberger 1936 in Bruchsal (Quelle: Privatarchiv Leslie Kutchins).
      Doris und Inge Neuberger 1936 in Bruchsal (Quelle: Privatarchiv Laurie Kutchins).
      Helene Neuberger mit ihren Töchtern Doris und Inge und ihrer Schwester Toni Kugler 1936 in Bruchsal (rechts) (Quelle: Privatarchiv Laurie Kutchins).
      Doris Neuberger (links) und Inge Neuberger mit ihrer Großmutter Flora Metzger-Waelder 1939 in der Schillerstr. 2 in Freiburg (Quelle: Privatarchiv Laurie Kutchins).

      Dokumente

      Im Februar 1925 schaltet Dr. Julius Neuberger in den Breisgauer Nachrichten ein Inserat, um seine Praxis bekannt zu machen (Quelle: Sammlung Bernd Serger).
      Im Mai 1925 informiert Dr. Julius Neuberger in den Breisgauer Nachrichten über seine Kassenzulassung und Sprechzeiten (Quelle: Sammlung Bernd Serger).
      Sterbeurkunde von Dr. Julius Neuberger (Quelle: Stadtarchiv Freiburg).
      Todesanzeige des früh verstorbenen Julius Neuberger, der sich in Emmendingen als praktischer Arzt niedergelassen hatte. Seine Töchter waren bei seinem Tod im Baby- und Kleinkindalter (Quelle: Stadtarchiv Emmendingen).
      Doris Neubergers Halbjahreszeugnis aus der vierten Klasse der Jüdischen Schule in Freiburg (1) (Quelle: StaF F 196/1 Nr. 11628).
      Doris Neubergers Halbjahreszeugnis aus der vierten Klasse der Jüdischen Schule in Freiburg (1) (Quelle: StaF F 196/1 Nr. 11628).
      Passagierliste aus dem Jahr 1939 mit den Namen von Helene, Doris und Inge Neuberger. Als Verwandter oder Freund im Ursprungsland ist Tiberio Rosenberger in Budapest angegeben, als Verwandte in den USA Helene Neubergers Schwiegermutter Berta Neuberger in New York (Quelle: My Heritage).
      Die amerikanische Volkszählung 1940 hat Doris Neuberger erfasst (Quelle: Ancestry).
      Doris Neuberger im Jahrbuch der Westfield Highschool, New Jersey, 1948 (Quelle: My Heritage).
      Doris Neuberger im Jahrbuch der Westfield Highschool, New Jersey, 1948 (Quelle: My Heritage).
      Doris Sages Diplom zum Abschluss der Westfield Senior High School (Quelle: StaF F 196/1 Nr. 11628).
      Doris Sages Abschlusszeugnis der Bucknell University, an der sie den Bachelor of Arts erwarb (Quelle: StaF F 196/1 Nr. 11628).
      Anzeige der Heirat von Doris Neuberger und Walter Barrett (Quelle: Newspaper.com).
      Heiratsindex mit dem Namen von Doris Neuberger (Quelle: Ancestry).

       

       

      Archiv & Quellen:

      Gedruckte Quellen / Publikationen

      • Jenne, Hans-Jörg/Auer, Gerhard (Hgg.), Geschichte der Stadt Emmendingen, Band 2 Vom Anfang des 19. Jahrhunderts bis 1945, Emmendingen 2011, Seite 354f.
      • Meckel, Andreas, Damit das Unrecht sichtbar wird, in: Badische Zeitung vom 29. Oktober 2019

      Archivalien

      ArchivQuelleSignatur
      Stadtarchiv Emmendingen Meldekarte

      Stadtarchiv Freiburg Datenblatt

      Stadtarchiv Freiburg Standesbücher

      Staatsarchiv Freiburg Waelder, Flora geb. Metzger, Erbengemeinschaft, Mitklägerin

      F 166/3 Nr. 4020

      Staatsarchiv Freiburg Restitutionsverfahren, Klägerin

      F 166/3 Nr. 7753

      Staatsarchiv Freiburg

      F 196/1 Nr. 11628

      Privatarchiv Laurie Kutchins

      Sammlung Bernd Serger

      Schweizerisches Bundesarchiv Bern Kinder der 300 Kinder-Aktion

      J2.55#1000.1246#192*

      My Heritage Deutsche Minderheiten-Volkszählung 1939

      My Heritage Ellis Island und andere New York Passagierlisten, 1820-1957

      My Heritage U.S., School Yearbooks, 1880-2012

      Ancestry US-Volkszählung 1940

      Ancestry USA, Sozialversicherungsindex, 1936-2007

      Ancestry New Jersey, Heiratsindex, 1901-2016

      Ancestry Index des US-Staatsarchivs, 1950-1993, Band 1

      Ancestry USA, Sterbeindex der Sozialversicherung, 1935-2014

      Ancestry Karbley Family Tree

      Newspaper.com Anzeige der Heirat von Doris Neuberger und Walter Barrett